Uhrmacher oder Feuerwehr? Beidhändig führen in Krisenzeiten
Die Corona-Krise hat es gezeigt. Unsere Welt ist kein Uhrwerk. Auf einmal funktionierten viele vertraute Führungsinstrumente nicht mehr. Sichere geglaubte Pläne kollabierten. Und so mancher Leader musste die unangenehme Erfahrung machen, aus dem gewohnten Köcher von Verfahren und Verhaltensmustern spontan keine wirklich treffsicheren Antworten auf die Corona-Herausforderungen ziehen zu können.
In mehr oder weniger normalen Zeiten sind Prozesse planbar und vorhersehbar. Wir haben uns daran gewöhnt, die Zukunft mit einem ständig wachsenden Arsenal an Software, Prozessen und Methoden bis ins Detail vorausplanen zu können. Wir haben Sicherheit produziert, Vorhersagbarkeit als Ideal verherrlicht, für uns, für unsere Mitarbeiter, für unsere Bank und die Investoren. Das hat über viele Jahre so gut funktioniert, dass wir unhinterfragt glauben: Wenn wir nur ordentlich planen, klappt alles. Und wenn wir noch ordentlicher planen, klappt es noch besser! Gute Führungskräfte müssen Uhrmacher sein. Das erfolgreiche Unternehmen läuft wie ein Chronograph.
Die Erinnerung an die eigene Sterblichkeit, an unkalkulierbare Risiken und Überraschungen, ist womöglich einer der wenigen guten Aspekte von Corona. Und diese Erinnerung ist nicht angenehm. Weil sie sogar sehr unangenehm ist, tendierten viele zur gedanklichen Flucht vor Verantwortung: Der Staat, ein Medikament, ein Plan, eine Regelung – irgendwer, irgendwas MUSS doch für Sicherheit, Wissen und Schutz sorgen. Noch schlimmer ist die Tendenz zur kompletten Verleugnung der Realität und zum Heraufbeschwören kruder Verschwörungstheorien. Oder zum Versuch, die Krise mit bekannten Mustern zu lösen, nach dem Motto: Wir machen es, wie immer, nur mehr davon und lauter.
All diese Verhaltensweisen jedoch haben mit Führung wenig zu tun.
Was tut Führung, wenn es brennt? Kein Feuerwehrmann stellt sich mit dem Laptop vors brennende Haus und macht erstmal einen Plan. Kein Feuerwehrmann schickt aus sicherer Position den verängstigten Bewohnern im Gebäude Postings auf Yammer (Achtung Wortspiel!). Kein Feuerwehrmann kündigt auf einer vor dem lodernden Brand abgehaltenen Pressekonferenz an, er werde zum Wohle aller vorsichtshalber noch nicht brennende Teile des Gebäudes abreißen, damit sie dem Feuer erst gar nicht zum Opfer fallen können. Das entspräche dem Versuch so mancher „Leader“, Kompetenz im Angesicht der Krise durch einen möglichst flott präsentierten Plan für Entlassungen und massive Kürzungen unter Beweis stellen zu wollen.
Wenn es brennt, braucht es keine Uhrmacher. Jetzt sind persönliche Standfestigkeit, Überzeugungskraft und beherztes Handeln wichtig. Jetzt enttarnt sich Pseudo-Führung, die nicht auf persönlicher Qualität und authentischer, herzlicher Wurzel steht, sondern auf Tonnen von Strategiepapieren, Grafiken, Power Point und….. Yammer….
Leadership braucht keine Durchhalteparolen, keine leeren Versprechungen, keine bunten Beruhigungspillen. Leadership muss keine Sicherheit vorschützen, die es nicht gibt. Leadership verkündet nicht lautstark halbgare Lösungen, um Unsicherheit zu übertünchen.
Echtes Leadership überzeugt vielmehr durch das authentische Vertrauen, mit Unsicherheit umgehen zu können. Durch das Geben von Orientierung, auch und gerade dann, wenn nicht alle Informationen vorliegen. Komme, was da wolle. Das formt Teams und Kulturen. Mit goldenen Gehältern in fetten Zeiten lockt man Mitarbeiter. Wirklich binden wird sie jedoch nur das Gefühl, in einem Boot zu sitzen, das Stürme zwar nicht verhindern, sie aber sehr wohl heil durchsegeln kann.
Das ist echtes Leadership. Und das kann man lernen!
In den Führungskräfte-Entwicklungsprogrammen der WB Königsschmiede stärken Leader ihre situativen Fähigkeiten. Unsere Formate zielen darauf, Wissen in Verhalten zu übertragen – im konkreten situativen Kontext und unter Druck. In der Auseinandersetzung mit Unsicherheiten, Ängsten und Bedenken dringen die TeilnehmerInnen zur Wurzel ihrer Führungspersönlichkeit vor. Das setzt die Überwindung der eigenen Komfortzone voraus. Es ist wie Radfahrenlernen: Wer immer nur um das Fahrrad herumschleicht und möglichst genaue Pläne macht, wie er sich am besten davor schützt, mit dem wackligen Gefährt umzufallen, wird nie fahren. Wenn ich mich auf eine eigene Wurzel stützen kann, werde ich ohne Plan, ohne Fassade und Palaver auch in der schlimmsten Krise stehen bleiben können. Ohne Angst vor Kontrollverlust, Orientierungslosigkeit und Blamage im Angesicht von Unsicherheiten. Wer diese Kraft ausstrahlt, dem folgen die Menschen auch dann noch, wenn der Weg nicht klar vor ihnen liegt.